Kieler Nachrichten, 14. Juni 2008, veröffentlicht von Torsten Müller
Christina Haverkamp organisiert von ihrem Westenseer Büro aus die Aktionen für die Ureinwohner
Westensee – Befindet sich José Francisco noch im Dschungel? Jeden Morgen ruft Christina Haverkamp in ihrem Büro in Westensee die E-Mails ab in der Hoffnung, von ihm etwas Neues über die gesundheitliche Situation in der Krankenstation von Mavaquita zu erfahren.
„Wahrscheinlich steckt er noch tief im Yanomami-Gebiet“, vermutet die Aktivistin, die sich seit 20 Jahren für das bedrohte Volk im Grenzgebiet von Venezuela und Brasilien einsetzt. Das Büro in der Dorfstraße in Westensee misst nicht mehr als 15 Quadratmeter. Von hier aus organisiert Christina Haverkamp zusammen mit Isa Gern die Yanomami-Hilfe für ein Gebiet von der Größe der Schweiz. Etwa 14000 dieser Ureinwohner leben schätzungsweise in Venezuela, 9000 in Brasilien.
Vor drei Monaten war die 49-Jährige selbst zuletzt bei den Yanomami, die noch mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gehen und von Maniok, Bananen und Papaya leben. Sie haben keine Vorstellung davon, wo Westensee liegt. „Sie wissen auch nichts von Europa oder dass es Autos gibt“, sagt sie. Erst in den 70er Jahren drangen Weiße auf der Suche nach Gold in ihr Gebiet ein und bedrohten ihre Lebensgrundlagen. Doch seitdem ist auch viel Positives passiert. „Als ich den Yanomami im November 1988 zum ersten Mal begegnete, gab es dort noch etwa 50000 Goldsucher, heute sind es nur noch ein paar Hundert“, sagt sie. Im Kolumbusjahr 1992 machte die in Niedersachsen Geborene in einer spektakulären Aktion zusammen mit Rüdiger Nehberg auf die Rechte der Ureinwohner aufmerksam: Gemeinsam segelten sie mit einem Bambusfloß über den Atlantik und protestierten vor dem Weißen Haus. Das Floß gibt es noch. „Es steht in einer Scheune bei Schierensee“, sagt sie. Was folgte, war weniger spektakulär, aber wirkungsvoll.
1997 ließ sie mit Spendengeldern die erste Krankenstation bauen: in Ixima. Gegen Malaria tropica, Tuberkulose, Flussblindheit und von Goldsuchern eingeschleppte Infektionskrankheiten hatten die Yanomami bisher keine Medikamente. In Papiú und Mavaquita errichtete sie weitere Stationen und im brasilianischen Pukima eine Schule. „Die Yanomami wollen die Sprache ihres Landes lernen, damit sie sich selbst für ihre Rechte einstzen können“, sagt sie. In allen drei Krankenstationen hat sich die Hilfe mittlerweile zur Selbsthilfe entwickelt. Indianer wurden medizinisch geschult und ließen sich zu Krankenpflegern ausbilden – Projekte mit Vorzeigecharakter. Zudem erhielten etwa 2000 Yanomami Moskitonetze.
Wenn die Aktivistin sich nicht gerade im Gebiet des Orinoko aufhält, versucht sie durch bisher Tausende von Vorträgen – national wie international – Spenden für weitere Projekte einzusammeln. Im September ist sie zur Harvard-Universität in Bosten eingeladen. 2006 wurde der Verein Yanomami-Hilfe, der knapp 200 Mitglieder hat, gegründet. Nach drei Jahren in Westensee will Christina Haverkamp Ende des Monats ihr „Basislager“ nach Blumenthal verlegen. „Ich lebe in Wohngemeinschaften, um die Kosten zu minimieren“, sagt die spartanisch lebende Frau. Das Büro in Westensee bleibt jedoch bestehen. Bis zum Jahresende hofft sie, genügend Spenden gesammelt zu haben, um im abgelegenen Orinoko-Quellgebiet eine weitere Krankenstation errichten zu können. „Die Yanomami-Hilfe ist meine Lebensaufgabe“, sagt sie.